Weißlicht-Filamente
als Quellen für die Atmosphärenfernanalyse
Neuartiges Femtosekunden Lasersystem "Teramobil" erlaubt Spektralanalyse
von Atmosphärenbestandteilen in 20 km Höhe
07.07.2003 - Um einen Laserstrahl weit in die Atmosphäre zu schicken
und ihre Bestandteile zu analysieren, waren früher riesige optische
Systeme nötig. Inzwischen existiert ein weltweit einmaliges mobiles
System, das dank extrem hoher Laserleistung neue physikalische Effekte nutzbar
macht. So lässt sich der Laserstrahl durch Licht, das sich selber zusammenhält
- so genannte Filamente -, fokussiert kilometerhoch senden und erzeugt dank
seiner extremen Leistung weißes Licht, das ein wesentlich breiteres
Analysespektrum der Atmosphäre eröffnet. Das "Teramobil" genannte
System besteht aus einem transportablen Femtosekunden-Laser, der mit einem
modernen Cassegrin-Teleskop gekoppelt ist. "Inzwischen wurde Licht aus bis
zu 20 Kilometern Höhe nachgewiesen", sagt Prof. Dr. Roland Sauerbrey
(50) von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er arbeitet seit sieben
Jahren am Teramobil und hat den mobilen Hochleistungslaser inzwischen gemeinsam
mit Kollegen aus Berlin, Paris und Lyon so weiter entwickelt, dass er weltweites
Aufsehen erregt. Dies beweist auch ein Artikel in der neuen Ausgabe der renommierten
internationalen Fachzeitschrift "Science" (04.07.03).
Unter dem Titel "White-Light Filaments: Sources for Long-Range Atmospheric
Analysis" (Weißlicht-Filamente: Quellen für die Atmosphärenfernanalyse)
legt ein 13-köpfiges französisch-deutsches Autorenteam einen Übersichtsartikel
inklusive neuester Forschungsergebnisse vor. Der bei einer Pulslänge
von 100 Femtosekunden rund drei Billionen Watt (drei Tera-Watt) starke Laser
des Teramobils ermöglicht die exakte Fernmesstechnik (LIDAR = Light
Induced Detection and Ranging). Mit Apparaturen, die in einen Container passen
und so per Tieflader zu jedem Ort der Welt gebracht werden können, wird
ein ultrakurz gepulster Laserstrahl kilometerweit in den Himmel gesandt.
Die riesige Leistung erzeugt ein erst in den 90er Jahren entdeckter Effekt:
Durch die starke elektromagnetische Strahlung ändert sich sowohl räumlich
als auch zeitlich der Brechungsindex der Luft. Es entsteht so etwas wie eine
künstliche Linse. Und aus dem ursprünglich tiefroten Laserstrahl
entwickeln sich Filamente - "quasi Licht, das sich selber zusammenhält",
erläutert Sauerbrey - gebündelten weißen Lichts. Diese elektrisch
leitfähigen Lichtkanäle sind Teil des kilometerlangen Laserstrahls,
der fokussiert in die Atmosphäre vordringt. Dort erzeugt er Streulicht,
das mit dem Teleskop aufgefangen wird und Spektralanalysen von mehreren Elementen
der Atmosphäre gleichzeitig ermöglicht. Die chemische Zusammensetzung
mit allen Verunreinigungen kann so exakt für jede Stelle in der Atmosphäre
gemessen werden. Jüngst hat das Physikerteam z. B. das Ozonprofil über
Lyon vermessen. Die chemische Zusammensetzung der Erdatmosphäre zu analysieren,
ist u. a. für den Umweltschutz oder Wettervorhersagen notwendig. Bislang
waren solche Analysen nur stationär, mit Wetterballons oder per Satellit
möglich.
Ein anderer Effekt gelang dem französisch-deutschen Team jetzt beim
Einsatz des Lasers zur Analyse von Wasser. Wassertropfen, in denen sich biologisches
Material (Aminosäuren) befand, wurden mittels Laser beschossen und die
Fluoreszenzspektren gemessen. Bei diesem erstmals in dem Science-Beitrag
beschriebenen Experiment "änderte sich das Fluoreszenzspektrum der Aerosole
dramatisch", sagt Sauerbrey. Die Folge: Nun lässt sich auch biologisches
Material mittels LIDAR detektieren. Der Versuch fand zwar vorerst nur mit
einer Entfernung von 50 m statt. "Ich halte aber größere Entfernungen
durchaus für möglich", meint der Jenaer Laserexperte dazu.
Für Sauerbrey, der derzeit auch der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
als Präsident vorsteht, ist nach sieben Jahren harter Arbeit das Projekt
Teramobil fast abgeschlossen. "Wir machen Grundlagenforschung", bekräftigt
der Jenaer Forscher. "Ob es Anwendungen geben wird, muss die Zukunft zeigen"
- Interesse an einem Nachbau von Teramobil scheinen gerade Amerikaner zu
entwickeln. Doch ganz abgeschlossen hat auch Sauerbrey mit Teramobil nicht.
In Zukunft sollen v. a. die Laserparameter optimiert werden. "Ein Experiment
reizt mich noch: einen Blitz vom Himmel zu holen", begeistert sich der Direktor
des Uni-Instituts für Optik und Quantenelektronik für ein weiteres
Ziel. Solch ein beweglicher, aktiv kontrollierbarer Blitzableiter könnte
etwa Flughäfen oder Kraftwerke vor einem Blitzeinschlag schützen.
Doch bis ein solches Gerät gebaut werden kann, muss noch einige Zeit
geforscht werden.
Quelle: Universität Jena, Institut für Optik und Quantenelektronik