Laser lenkt den Blitz auf linealgerade Bahn

Wissenschaftler bändigen Entladung im Labor. Ein zielgerichteter Einschlag ist so möglich

Von Peter Hergersberg
 

Berlin - Blitze zu bändigen ist eher das Metier antiker Götter. Zeus soll da Experte gewesen sein. Wenn nötig, konnte er sie auch nach Belieben auf die Menschheit herabschleudern. Wissenschaftler aus Berlin hätten ihm den Spaß daran verderben können. Denn sie können Blitze einfangen - mit einem Laserstrahl. Die Entladung irrt dann nicht mehr durch die Luft, auf der Suche nach einem Punkt, der sich zum Einschlag eignet. Vielmehr lenkt der Laser ihn auf eine gerade Bahn und hält ihn so vor empfindlichen Zielen fern.

Die Wissenschaftler von der Technischen Universität Berlin und der Universität Lyon wollen aber nicht göttlichen Groll abwenden, sondern Schaden an Kernkraftwerken oder Flughäfen. Bislang allerdings können sie den Blitz nur im Hochspannungslabor zähmen. "Laser, die Blitze über Hunderte Meter aus den Wolken holen können, gibt es noch nicht", sagt der Elektrotechniker Kay Rethmeier.

Turnhallengröße hat das Labor immerhin schon und gäbe auch ein probates Szenario für Sciencefiction-Filme ab. In einer Ecke ragen haushoch der metallbesetzte Generator und zwei Kontrollmasten bis unter die Decke. Leitungen führen von den Säulen zu einem untertassengroßen Metallring, in dem zehn Mal pro Sekunde der Laserpuls aufflackert. Etwa drei Meter davon entfernt steht eine Metallscheibe.

Wenn die Spannung zwischen Ring und Scheibe hoch genug ist, fährt ein greller Lichtfaden mit einem Pistolenknall durch die Luft. Vorhersagen, bei wie viel Volt der Blitz überschlägt, können die Forscher nicht. "Das können mal 1,1 Millionen Volt sein, mal auch fast zwei", sagt Rethmeier. Gelingt der Versuch, steht der Blitz wie mit dem Lineal gezogen in der Luft. Nur am Anfang und am Ende läuft er manchmal aus der Bahn. "Wir beobachten, dass der Laserstrahl den Blitz auslösen kann, wenn die Spannung eigentlich noch nicht hoch genug ist, dass es zu einem Überschlag kommen kann", sagt Miguel Rodriguez, der als Laserfachmann an dem Projekt mitarbeitet. Manchmal jagt der Blitzschlag aber auch nur zufällig unmittelbar dem Laser hinterher.

Seine Spur legt der Laser, indem er die Moleküle in seiner Bahn ionisiert, sie also in positive und negative Teilchen spaltet. Die Ladungen aber ziehen den Blitz an. Denn ein Blitz ist nichts anderes als ein dichte Ansammlung positiver und negativer Ladungen, die mehr als 5000 Grad heiß wird. Plasma nennen Physiker die geballte Energie. Der Laserstrahl kann den Blitz aber nur anlocken, weil er einige Terawatt Leistung bringt, so viel wie 1000 Kernkraftwerke. Dafür sind seine Pulse nicht einmal 100 Femtosekunden lang, eine Zeit in der auch Licht nur 0,03 Millimeter durch den Raum wandert.
 
 

Channel: Wissenschaft
Ressort: Wissenschaft
Erscheinungsdatum: 09. 06. 2001