Sendung vom 16. Mai 2001

Forschung gegen Blitzschlag
Autor: Roger Zepp

Neumarkt in der Oberpfalz. 1.Mai 1994. Gegen zwölf Uhr zieht ein Gewitter auf. Und eine Taxizentrale trifft der Blitz.Der Schaden ist erheblich. Elektrische Anlagen werden zerfetzt.
Steckdosen aus der Wand gesprengt. Doch betroffen ist nicht nur der Fuhrunternehmer ...

Im Kreiskrankenhaus wird der Zentralrechner beschädigt: Die Schwesternrufanlage versagt den Dienst ... In der "Hofkirche" springt die Alarmanlage an - mitten im Gottesdienst ...
An mehreren Kreuzungen fallen die Ampeln aus. Es kommt zum Verkehrschaos ...
In zahlreichen Büros und Amtsstuben schließlich kollabieren Computer, Telefonanlagen, Sicherheitssysteme ... Mehr als 30 Einzelschäden insgesamt. Ursache: Ein einziger .... Blitz.

Eine Million von ihnen zucken jedes Jahr über Deutschland. Schadensbilanz: zweieinhalb Milliarden Mark.
Ins Geld geht dabei nicht so sehr der klassische Dachstuhlbrand. Es sind die zahllosen Defekte, die durch Überspannungen an elektronischen Systemen entstehen. Wie in Neumarkt.
Denn jeder Blitz erzeugt einen starken elektromagnetischen Impuls.
Kabel und Zuleitungen fangen diese Störungen wie Antennen auf und leiten sie direkt in die Geräte. Wenige Volt Überspannung reichen, um sensibler Elektronik den garaus zu machen.
Über Strom- und Telefonleitungen könnnen sich die Störungen kilometerweit fortpflanzen.
Ein Damoklesschwert für Industrieanlagen, Rechenzentren, Flughäfen. Doch wie sich schützen ?

Der klassische Blitzableiter verhindert nur direkte Einschläge, wirkt also allein außen. Um auch einen wirksamen inneren Blitzschutz zu gewährleisten, arbeitet die Industrie - hier zum Beispiel der größte deutsche Hersteller Dehn & Söhne - an der Entwicklung immer leistungsfähigerer Störschutzbegrenzer : Schalter, die sich den blitzverursachten Impulsen auf ihrem Weg durch die Stromleitung entgegenstellen.
Das Problem: Der Störimpuls eines Blitzes ist sehr breitbandig und hat hohe Spitzenenergien. Ein einziger Schalter kann das zerstörerische Potenzial nicht aufhalten. So muss über das gesamte Leitungsnetz ein ganzes System gestaffelter Schutzschalter angelegt werden. Nicht immer ist Platz dafür.
Etwa bei Mobilfunkstationen, die kaum mehr Raum als eine Telefonzelle bieten. Die weit ausragenden Antennen der Anlagen aber sind ideale Ziele für Blitze.
Speziell für solche Einsatzbereiche entwickelte man deshalb einen Schalter der zwei Schutzstufen in einem System vereint. Völlige Sicherheit aber kann auch ein solches Gerät nicht garantieren.
Und auch bei mobilen Objekten gibt es sie nicht: Autos oder Flugzeuge wirken zwar wie ein Farraday-Käfig, bei dem die Blitzenergie über die Karosserie abgeleitet wird. Doch zugunsten von Gewichtseinsparungen werden heutzutage immer öfter Metallteile durch Kunststoffe ersetzt. Sie bieten keine ausreichende Abschirmung.

Dabei bedarf es durchaus keiner Kabelverbindung um Elektronik zu stören. Das zeigt ein Versuch an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg bei München: Es kommt es zur ungewollten Auslösung einer Alarmanlage, weil in ihrer Nähe ein Blitz einschlägt. Grund: das elektromagnetische Feld, das bei der Entladung in die Umgebung abstrahlt und so nicht nur Objekte am Boden gefährdet ...

 

Prof. Dr.-Ing. Johannes Wiesinger, Universität der Bundeswehr, Neubiberg bei München:
"Das ist eine besondere Gefährdung für Flugzeuge und Luftfahrzeuge, wenn sie in Gewitterwolken fliegen müssen. Das bedeutet aber, dass man dann in dem Flugzeug selbst massive, metallene Schutzmaßnahmen wiederum ergreifen muss, die sonst nicht notwendig gewesen wären und die natürlich dann wieder zu Gewichtsproblemen führen"

Durch Experimente versuchen die Münchener Forscher moderne Werkstoffe und wirksamen Blitzschutz zusammen zu bringen. Etwa durch leichte, elektrisch leitende Streifen, die auf den Kunstoffteilen befestigt werden - wie bei dieser Bugkappe eines Kampfflugzeuges.
Für manche Wissenschaftler haben solche Maßnahmen jedoch einen Schönheitsfehler: Sie sind passiv. Erst wenn der Blitz einschlägt, kommen sie zur Anwendung. Ihr Ziel: Gewitterwolken abfangen, bevor sie zur Gefahr werden.
Ihre Idee: Raketen werden über einen Draht mit der Erde verbunden. Nähert sich ein Gewitter, schießt man sie in die Wolken. Der Draht spannt sich und wirkt als Blitzableiter - viele Kilometer vor dem gefährdeten Objekt.
Wie hier an der Universität Florida - nutzt man die Technik schon lange, um Blitze für Messzwecke einzufangen. Als Blitzschutz aber hat sie eine entscheidende Schwäche: Ein Gewitter zählt 100 Entladungen und mehr. Blitzschutz geriete zum Ballerspiel.
An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeiten Forscher zusammen mit Wissenschaftlern der Freien Universtät Berlin an einer Alternative: einem Ultrakurzpuls-Laser. Sein drei Billionen Watt starker Strahl kann die Eigenschaften der Luft verändern. Sie wird elektrisch leitfähig - wie ein Draht.
Und so soll es funktionieren:
Der selbst blitzgeschützte Laser wird im Umkreis eines sensiblen Objektes stationiert und sein Strahl über Umlenkspiegel gen Himmel gerichtet. Nähert sich eine Gewitter, gibt das System Feuer. Im Unterschied zu den Anti-Blitz-Raketen besteht so eine permanente Verbindung zur Wolke. Die Forscher hoffen, dass sich deshalb die Mehrzahl der Blitze im Strahl fängt.

Prof. Dr. Roland Sauerbrey
Friedrich-Schiller Universität, Jena

"Die Probleme für die Anwendung, Laser als Blitzableiter zu nehmen, liegen zunächst erst mal darin, dass es noch nie gelungen ist, durch einem Laser einen Blitz tatsächlich aus einer Wolke zur Erde zu führen. Allerdings haben wir gezeigt, dass wir mit unseren Lasern sehr lange leitfähige Kanäle in der Atmosphäre machen können und von daher besteht die Hoffnung, dass man das in Zukunft tun können wird. Was man dazu brauchen wird, ist ein mobiles Lasersystem und wir sind jetzt derzeit daran, so ein mobiles Lasersystem einzusetzen."

In Amerika und Japan laufen ähnliche Versuche - doch viele Experten halten die Idee für viel zu aufwändig. Sie setzen auf das "Blitzschutzzonenkonzept".

Dr.-Ing. Peter Hasse, Dehn und Söhne, Neumarkt:
"Das ist so aufgebaut, dass man außen um das Gebäude eine Hülle hat. Mit dieser Hülle werden die Blitze gefangen, abgeleitet und im Erdreich verteilt. Sollte dieser Schutz nicht ausreichen, baut man eine zweite, vielleicht sogar eine dritte Zone auf, so dass auch ganz empfindliche Geräte - wie auf der Intensivstation eines Krankenhauses überleben können. Das ganze ist aufgebaut wie eine Zwiebel mit verschiedenen Hüllen. In der Mitte hat man die kleinste Bedrohung."

Obwohl schon seit Jahren diskutiert, ist dieses Konzept hierzulande erst in wenigen Bauwerken verwirklicht worden - der Tower des Flughafens Nürnberg ist ein solches Gebäude.
Die einzelnen Schutzzonen sind hier genau von einander abgegrenzt: Stahlteile in der Betonarmierung etwa wirken als Schutzhülle im Außenbereich. Wo sie durchbrochen wird - an den Fenstern - schließen Metallgitter die Sicherheitslücke.
Die höchste Schutzsstufe schließlich herrscht im Lotsenbereich - für Elektronik wohl einer der sichersten Orte in Deutschland ...

 

SURF-TIPPS
BLITZSCHUTZ ALLGEMEIN

Homepage von "Blitzschutz Online"
http://www.blitzschutz.de/index.htm

Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) / Ausschuss für Blitzschutz und Blitzforschung (ABB)
http://www.vde.de/vde/html/d/online/ausschuesse/blitz/blitz.htm

BLITZSCHUTZ-ANBIETER

Dehn & Söhne (größter deutscher Hersteller für Blitzschutztechnik)
http://www.dehn.de

SPEZIALBEREICHE

Informationen zum "Blitzschutzlaser" der Technischen Universität Jena / Technischen Universität Berlin
http://pclasim47.univ-lyon1.fr/teramobile.html

Blitzfrühwarnsystem "Blids" von Siemens
http://www.blids.de

 

Ansprechpartner:

DEHN + SÖHNE GmbH + Co. KG.
Hans-Dehn-Str. 1
92318 Neumarkt, Oberpf Gemeinde: Neumarkt i d OPf
Postanschrift:
Postfach 1640
D-92306 Neumarkt
Homepage: http://www.dehn.de
Zentrale:
Tel: (091 81) 906 - 0
Jens Ehrler
(Produktmanager Überspannungsschutz)
Tel.: (091 81) 906 231
Fax.: (091 81) 906 219
eMail: jens.ehrler@dehn.de

FRIEDRICH-SCHILLER-UNIVERSITÄT JENA
Physikalisch-Astronomische Fakultät / Institut für Optik und Quantenelektronik
Max-Wien-Platz 1
07743 Jena
Dr. Heinrich Schwörer
Tel.: (03 641) 947 219
eMail: schwoerer@qe.physik.uni-jena.de


UNIVERSITÄT DER BUNDESWEHR MÜNCHEN (UniBwM)
Fachbereich Hochspannungstechnik
Werner-Heisenberg-Weg 39
D-85579 Neubiberg
Wolfgang Zischank
Tel.: (089) 600 4 - 37 26
eMail: wolfgang.zischank@UniBw-Muenchen.de

LITERATURHINWEISE

Franz Pigler
Blitzschutz elektronischer Anlagen, Grundlagen und praktische Lösungen
Franzis-Verlag, Poing
1998 (98,-DM)

Peter Hasse / Johannes Wiesinger
Handbuch für Blitzschutz und Erdung
Pflaum Verlag
3-7905-0657-5